Fast parallel zum Weihnachtsfest 2024 begehen Juden Chanukka, das achttätige Lichterfest, und erinnern damit an die Wiedereinweihung des Zweiten Tempels in Jerusalem im Jahr 3597 (164 vor unserer Zeitrechnung). Auch Jesus feierte dieses Fest, wie wir im Johannes-Evangelium 10, 22 lesen.
Wir als queere Menschen wissen, wie verletzend und bitter es ist, wenn uns unsere Kern-Identitäten abgesprochen und herabgewürdigt werden, unsere geschlechtliche Identität oder sexuelle Orientierung als Minderheit.
Die Juden in Israel waren damals vor 2200 Jahren eine Minderheit im riesigen syrischen Seleukidenreich. Ab 168 v. Chr. führte der herrschende Seleukiden-König der Besatzungsmacht diskriminierende Maßnahmen gegen die Minderheit ein, ließ die Ausübung der jüdischen Religion verbieten, verlangte die – für Juden unerträgliche – Anbetung von Götterstatuen, ließ die Heiligen Schriften verbrennen. (Auch damals gab es schon eine Bücherverbrennung). Nebenbei raubte er zur eigenen Bereicherung den Tempelschatz in Jerusalem.
Wir wissen in unserer queeren Befreiungsgeschichte um staatliche, diskriminierende Maßnahmen zur Zerstörung unserer Kernidentität.
Menschen, deren Identität bedroht oder zerstört wird, gerade weil sie einer Minderheit angehören, verlieren leicht ihren Lebensmut und Lebenssinn.
Stattdessen: Damals hatte zunächst eine kleine Gruppe der Juden in Israel, genannt die Makkabäer (zu Deutsch „die Hammerartigen“), im Vertrauen auf Gott den Mut, als Minderheit sich für Befreiung von Unterdrückung, für Emanzipation einzusetzen. Nach und nach wuchs ihre Gruppe der Mutigen. Sie ließen sich von der Übermacht der Unterdrücker nicht entmutigen, sondern stellten sich ihr im Kampf für die eigene Identität und Freiheit entgegen.
Schließlich, im Jahr 164 v. Chr., hatten sie Erfolg und konnten ihren Tempel wieder einweihen, mit geweihtem Öl den heiligen Leuchter dort wieder anzünden und dort ihre Identität leben, wozu ihr Glauben gehörte. 8 Tage wurde das gefeiert. Deshalb dauert Chanukka (=(Neue) Einweihung) 8 Tage, mit 8 +1 Kerze. Wir finden die Geschichte in den Makkabäerbüchern des Alten Testamentes.
Genauso wie damals die Makkabäer: Wir Queers haben vor Jahrzehnten begonnen, unsere queere Identität gegen staatliche Verfolgung und Herabwürdigung zu verteidigen.
- Stonewall 1969 ist natürlich eine wichtige Station,
- die schrittweise Abschaffung des §175 und
- 2017 schließlich die Ehegleichstellung.
- Auch Pink Christmas in München wurde 2005 im Jahr seiner Gründung im Bezirksausschuss nur mit knapper Mehrheit gegen viele diskriminierende Gegenstimmen akzeptiert.
Selbstbewusst zur eigenen Identität stehen, Mut und Kampf zur Selbstbefreiung – das verbindet Chanukka und uns Queers.
Der Autor: Wolfgang Scheel ist evangelisch-lutherischer Pfarrer im Ruhestand in München. Er engagiert sich bei queeren Aktivitäten unserer Landeskirche, z.B. seit 20 Jahren im Team des ökumenischen Münchner CSD-Gottesdienstes, sitzt im Vorstand der Rosa Liste (kommunale Münchner Wählergruppe) und engagiert sich als ehrenamtlicher Guide queerer Stadtteilführungen. Veröffentlichungen unter anderem über die Geschichte der queeren Weihnachtsmärkte, die weltweit 2005 in München mit Pink Christmas ihren Ausgangspunkt hatten. Sie erreichen ihn unter: wolfgang.scheel@elkb.de